Beeinträchtigte Wundheilung: Fakten und Hypothesen für multiprofessionelle Überlegungen in der prädiktiven, präventiven und personalisierten Medizin

Alte Bevölkerungsgruppen weisen häufig chronische, nicht heilende Wunden auf, und ihre beeinträchtigte Wundheilung ist ein wichtiges Problem der medizinischen Versorgung. Bei Personen mit beschleunigtem Alterungsprozess, z. B. bei Down-Syndrom oder progeroiden Syndromen, besteht ebenfalls ein hohes Risiko für eine verlangsamte und gestörte Wundheilung. Bei älteren Menschen sind in jeder Phase des Heilungsprozesses Veränderungen zu beobachten. So zeigen sie eine veränderte Entzündungsreaktion, die durch einen anhaltenden Anstieg proinflammatorischer Zytokine wie IL-6 und TNFα und einen Rückgang der Wachstumsfaktoren gekennzeichnet ist. Diese Kombination führt zu hohen TGF-β-Spiegeln, die eine Rolle bei der Umwandlung von akuten in chronische Wunden spielen können, indem sie die Reepithelisierung hemmen. Eine beschleunigte und fortgeschrittene Alterung ist auch mit einer verlangsamten Makrophagen- und T-Zellen-Infiltration in den Wundbereich und einer verminderten Makrophagenfunktion verbunden. In diesem Zusammenhang zeigen gealterte Mäuse eine starke Verarmung an Neutrophilen, die nachweislich den Wundverschluss verzögert.

Die gestörte Mikrozirkulation und Hypoperfusion, die für die alternde Haut charakteristisch sind, tragen zu der beeinträchtigten Entzündungsreaktion bei und behindern die physiologische angiogene Phase in der gesamten WH .

Ein weiteres Merkmal der alternden Haut ist eine stark reduzierte ECM-Produktion und überexprimierte MMPs, insbesondere MMP-2, die zusammen zu Beeinträchtigungen in der Remodellierungsphase führen.

Geschlechtshormone spielen eine Rolle bei der physiologischen Wundheilung. Darüber hinaus gibt es geschlechtsabhängige Besonderheiten bei der Wundheilung älterer Menschen: Die Heilung akuter Wunden ist bei älteren Männern deutlich langsamer als bei älteren Frauen, was auf die positiven regulatorischen Wirkungen von Östrogenen auf die Wundheilung zurückzuführen ist.

Lebensstilbezogene modifizierbare Risikofaktoren

Psychischer Stress moduliert Heilungsprozesse

Psychischer Stress zeigt starke modulierende Wirkungen auf die Wundheilung, indem er die Stimmung, das Verhalten und den Gesundheitszustand der betroffenen Person beeinflusst. In einschlägigen Studien wurden seine negativen Auswirkungen auf die Wundheilung nachgewiesen. Stress reduziert die Spiegel der proinflammatorischen Zytokine IL-1β, IL-6 und TNFα an der Wundstelle. Er reduziert auch die Expression des Zytokins IL-1α und des Chemoattraktivums IL-8 und stört folglich die gut regulierte Entzündungsphase der physiologischen Wundheilung. Einige der nachteiligen Auswirkungen von Stress auf die WH könnten darauf zurückzuführen sein, dass hochregulierte Glukokortikoide die Proliferation von Immunzellen unterdrücken und die Produktion der Zytokine IL-1α, IL-1β und TNFα an der Wundstelle verringern. Außerdem führt Stress zu einer Dysregulation der MMP-9- und MMP-2-Spiegel an der Wundstelle. Obwohl indirekt, wird Stress häufig mit schädlichen Gewohnheiten wie Zigarettenrauchen, unangemessenem Alkoholkonsum und unausgewogener Ernährung in Verbindung gebracht – jede dieser Gewohnheiten wirkt sich negativ auf die physiologische Wundheilung aus, wie im Folgenden im Detail gezeigt wird.

Rauchen beeinträchtigt die Wundheilung stark

Rauchen zeigt schädliche Auswirkungen auf die physiologische Wundheilung. Unter den mehr als 4000 Substanzen, die im Tabakrauch nachgewiesen wurden, haben mehrere einen negativen Einfluss auf die Heilungsprozesse. So fördert Nikotin stark die Gefäßverengung, was zu einer gestörten Mikrozirkulation führt, die sich negativ auf die WH auswirkt. Darüber hinaus schwächt Rauchen die Entzündungsphase ab, indem es die Migration der weißen Blutkörperchen beeinträchtigt, die bakterizide Aktivität der Neutrophilen verringert und die IL-1-Produktion drosselt. Die proliferative Phase wird durch die verringerte Fibroblastenmigration und -proliferation sowie die herunterregulierte Kollagensynthese und -ablagerung bei Rauchern beeinträchtigt. Darüber hinaus stört das Rauchen die epitheliale Regeneration und die normale Angiogenese und verringert die ECM-Produktion. Insgesamt zeigen Raucher im Vergleich zu Nichtrauchern eine verzögerte Wundheilung, eine erhöhte Häufigkeit von Wundheilungskomplikationen und Wunddehiszenz.

Unangemessener Alkoholkonsum ist mit unphysiologischen Heilungsprozessen verbunden

Mäßiger Alkoholkonsum zeigt einige schützende Wirkungen gegen kardiovaskuläre Erkrankungen, was für die WH insgesamt von Vorteil sein könnte. Im Gegensatz dazu kann ein unangemessener Alkoholkonsum starke negative Auswirkungen auf die individuelle Reaktion auf eine akute und chronische Verletzung haben. Alkohol spielt nachweislich eine immunmodulatorische Rolle: akuter Alkoholkonsum hemmt die Freisetzung proinflammatorischer Zytokine, während chronischer Alkoholkonsum zu einer deutlich verlängerten Reaktion der Entzündungszellen führt. In experimentellen Modellen führte der Alkoholkonsum vor einem Trauma zu einer Verringerung der TNFα-, IL-1- und IL-6-Spiegel. Bei menschlichen Alkoholikern waren die Werte des immunsuppressiven Zytokins IL-10 nach größeren chirurgischen Eingriffen deutlich höher als bei alkoholfreien Personen. Alkoholkonsum wird auch mit einer verminderten T-Zell-Proliferationskapazität in Verbindung gebracht, die für das physiologische WH wichtig ist. Einschlägige Modelle bei Mäusen zeigen, dass akuter Alkoholkonsum die Expression von VEGF-Rezeptoren verringert und die nukleäre Expression von HIF-1α in Endothelzellen reduziert, wodurch die Angiogenese und die proliferative Phase der Wundheilung beeinträchtigt werden. Es gibt auch Studien, die zeigen, dass unangemessener Alkoholkonsum einen negativen Einfluss auf die physiologische Reepithelisierung und Kollagenproduktion hat.

Eine ausgewogene Ernährung ist entscheidend für die physiologische Wundheilung

Eine optimale Zusammenstellung der Nährstoffe ist äußerst wichtig für die Regulierung aller einzelnen Phasen der Wundheilung und für die gesamte Fähigkeit des Körpers, den Wundheilungsprozess erfolgreich durchzuführen. Sowohl Abweichungen vom physiologischen Body-Mass-Index (BMI), also ein zu hoher als auch ein zu niedriger BMI, können zu einer verzögerten oder gar gestörten Wundheilung führen. Die detaillierte Analyse des Themas wird im Folgenden dargestellt.

Mangelernährung

Der Bedarf an Zellproliferation und Proteinsynthese während des Wundheilungsprozesses erhöht den Nährstoffbedarf des Körpers. Folglich kann ein Mangel oder eine Verarmung an Kohlenhydraten, Proteinen, Fettsäuren, Vitaminen oder Mikronährstoffen zu einer gestörten Wundheilung führen. Insbesondere Kohlenhydrate werden als Energielieferant für den Heilungsprozess benötigt und sind nachweislich der Schlüsselfaktor für die Aktivierung verschiedener Enzymkomplexe, die für die Wundheilung wichtig sind. Bestimmte Aminosäuren, insbesondere Leucin, Glutamin und Arginin, besitzen eine anabole Aktivität, die für den Heilungsprozess erforderlich ist. Darüber hinaus verringert ein Proteinmangel die Phagozytose der Leukozyten und erhöht die Anfälligkeit für Infektionen. Fettsäuren werden benötigt, um zusätzliche Quellen für die dringend benötigte Energie bereitzustellen; sie wirken als Signalmoleküle und tragen zum Entzündungsprozess und zur Zellproliferation bei. Mikronährstoffe wie Zink und die Vitamine B und C wirken als wesentliche Kofaktoren für die Energieproduktion und die Proteinsynthese und weisen antioxidative Eigenschaften auf. Ältere Menschen, die, wie oben beschrieben, ein höheres Risiko für ein beeinträchtigtes WH haben, benötigen 50 % mehr Eiweiß als junge Menschen und sind daher anfälliger für einen Eiweißmangel.

Übergewicht

Im Jahr 2014 wurden weltweit 39 % der Erwachsenen ab 18 Jahren als übergewichtig und 13 % als fettleibig eingestuft. Damit sind weltweit fast zwei Milliarden Erwachsene übergewichtig und davon mehr als eine halbe Milliarde fettleibig. Fettleibige Menschen sind nachweislich anfällig für mehrere schwere Krankheiten, darunter auch für eine gestörte Wundheilung, was durch Hypoperfusion und ischämische Effekte im subkutanen Fettgewebe erklärt werden könnte. Wenn also das Gewebe in der Nähe der Wunde unzureichend mit Sauerstoff versorgt wird, können die stark sauerstoffabhängigen zellulären Reparaturprozesse nicht angemessen ablaufen. Die bei fettleibigen Personen häufig zu beobachtende Hypovaskularität trägt weiter zu einer schlechten Durchblutung bei und erhöht das Risiko von Infektionen aufgrund einer verringerten Infiltration von Immunzellen in den Wundbereich. Darüber hinaus weisen fettleibige Personen häufig eine erhöhte Spannung an den Wundrändern auf, was zur Dehiszenz der Wunde beiträgt. Folglich finden die pathogenen Bakterien, die im feuchten Milieu der Hautfalten gedeihen, ein ideales Umfeld für die Invasion und den Abbau von Gewebe vor. Schließlich verursacht der Haut-auf-Haut-Kontakt Reibung, die zu Ulzerationen führen kann, die bei fettleibigen Personen besonders häufig sind.

Pathologien/Komorbiditäten

Diabetes mellitus und kaskadierte Komorbiditäten: wichtige Themen in der medizinischen Versorgung von Wunden

Die globale Prävalenz von Diabetes hat mit fast einer halben Milliarde Patienten weltweit ein epidemisches Ausmaß erreicht; die Vorhersage für die nächsten Jahrzehnte ist äußerst pessimistisch. Dies spiegelt eine dramatische Zunahme der damit verbundenen Risikofaktoren und schweren Komorbiditäten wider, die häufig mit einer gestörten WH verbunden sind. Diabetiker weisen Störungen in allen individuellen Prozessen und Heilungsphasen auf, die insgesamt zu einer beeinträchtigten Heilung akuter Wunden führen und anfällig für chronische, nicht heilende Wunden wie diabetische Fußgeschwüre sind. Die Amputationsrate der unteren Gliedmaßen ist in Bevölkerungsgruppen mit diabetischer Vorgeschichte bis zu 20-mal höher als in nicht-diabetischen Bevölkerungsgruppen.

Diabetische Patienten zeigen eine mangelhafte Chemotaxis, Phagozytose und mikrobizide Aktivitäten der Neutrophilen, was zu einer hohen Anfälligkeit für Infektionen beiträgt. Aberrante zelluläre Infiltration, unzureichende Makrophagenaktivierung, verminderte Freisetzung von TNFα, IL-1β und VEGF aus Makrophagen und eine beeinträchtigte Leukozytenfunktion wirken sich nachweislich negativ auf die Wundheilung bei Diabetikern aus.

Fibroblasten aus diabetischen Fußgeschwüren zeichnen sich durch eine stark verringerte proliferative Reaktion auf Wachstumsfaktoren und eine beeinträchtigte Signalübertragung aus, was zu einer verminderten Bildung von Granulationsgewebe führt.

Zwischen 30 und 50 % der Diabetiker leiden an einer peripheren Neuropathie, die das Risiko der Ulkusentwicklung erhöht und sie für eine verzögerte Reparatur des Hautgewebes prädisponiert. Bei Diabetikern ist der gesamte Kern der Neuropeptide stark dysreguliert, wie z. B. SP, NPY, CGRP, die herunterreguliert sind, und CRF, α-MSH und NT, die hochreguliert sind. Diese Neuropeptide spielen in mehreren Stadien des WH eine Schlüsselrolle, indem sie als Chemoattraktoren wirken, die Permeabilität von Blutgefäßen modulieren, die Adhäsion von Leukozyten verbessern, die Expression von Zytokinen regulieren, die Proliferation von Endothelzellen stimulieren und die Freisetzung von VEGF fördern. Die insgesamt veränderte Neuropeptidexpression führt zu einer Dysregulation der nachgeschalteten Zytokine in der Haut, was zu einer gestörten Wundheilung führt.

Die übermäßige Aktivierung von MMP-2 und MMP-9 in Verbindung mit anhaltendem nitrosativem und oxidativem Stress und mit übermäßiger Bildung von fortgeschrittenen Glykationsendprodukten führt zu einer Instabilität der ECM und zum Abbau von essentiellen Matrixproteinen und Wachstumsfaktoren. Diabetiker zeigen eine verzögerte Reepithelisierung und eine veränderte Empfindlichkeit gegenüber VEGF, was zu einer verminderten Angiogenese führt.

Schließlich sind Diabetiker stark prädisponiert für schwere Komorbiditäten, die einzeln und insgesamt funktionell mit einer gestörten Wundheilung verbunden sind, wie nachstehend im Einzelnen analysiert wird.

Kardiovaskuläre Erkrankungen sind entscheidend für die WH- und Folgekaskade von Pathologien

Im Allgemeinen beeinträchtigen Gefäßerkrankungen, die zu lokalen und/oder systemischen ischämischen Effekten führen, die Heilungsprozesse stark, da das Gewebe mit zu wenig Sauerstoff und essentiellen Nährstoffen versorgt wird. Chronische, nicht heilende Wunden an den unteren Gliedmaßen sind die typische Komplikation des oben beschriebenen fortgeschrittenen Diabetes. Auch die kardiale Komponente spielt eine Rolle. So hat sich gezeigt, dass eine Herzinsuffizienz für die verzögerte Heilung von diabetischen Fußgeschwüren prädiktiv ist und stark mit einer schlechten Prognose einhergeht. Darüber hinaus ist die Herzinsuffizienz ein unabhängiger Risikofaktor für venöse Beingeschwüre.

Statistisch gesehen sind allein in den USA jährlich bis zu 2,5 Millionen Patienten von venösen Ulzera betroffen, was die Lebensqualität der Patienten stark einschränkt und die medizinische Versorgung insgesamt negativ beeinflusst. Eine frühzeitige/präventive Diagnose und rechtzeitige Vorbeugung kann jedoch dazu beitragen, dass entsprechende Patientenkohorten schwerwiegende Komplikationen im Zusammenhang mit einem beeinträchtigten WH vermeiden können. So ist beispielsweise die kritische Ischämie der Gliedmaßen (CLI) durch nicht heilende Ulzerationen gekennzeichnet. Es hat sich jedoch gezeigt, dass gezielte präventive Verfahren wie die endovaskuläre Revaskularisierung, die die Blutversorgung des Gewebes wiederherstellen kann, die Qualität der Wundheilung verbessern kann.

Ein weiteres Beispiel für eine gestörte Wundheilung ist die venöse Ulzeration. Der genaue Mechanismus, der dieser Pathologie zugrunde liegt, ist noch nicht ganz geklärt; es wird jedoch angenommen, dass eine venöse Hypertonie infolge eines venösen Refluxes die Hauptursache für die Erkrankung und ihre Komplikationen ist. Es wurde berichtet, dass diese Wunden, wenn sie persistieren, zu einer malignen Transformation der chronischen Beingeschwüre führen und somit eine klare funktionelle Verbindung für die Kaskade von Pathologien darstellen, die sich in einer klaren Abfolge entwickeln, nämlich eine unbehandelte persistierende Gefäßerkrankung, die zu chronischen nicht heilenden Wunden führt und mit einer aggressiven Krebsentwicklung an der Wundstelle endet .

Krebs und gestörte Wundheilung: vielschichtige Zusammenhänge

Wundheilung auf der einen Seite und Tumorerkrankungen auf der anderen Seite sind zwei Bereiche, die sich durch vielschichtige Zusammenhänge untereinander sowie mit anderen oben bereits erwähnten hochrelevanten medizinischen Bereichen auszeichnen. Nachfolgend einige Beispiele für die multifunktionalen Zusammenhänge, die durch unabhängige Studien, verfügbare Daten und Literaturquellen belegt sind:

  1. Chronische nicht heilende Wunden – hohes Risiko einer krebsartigen Transformation des betroffenen Gewebes

  2. Relevante genetische Erkrankungen (z.B. Down-Syndrom)-erhöhter Stress (übermäßige Produktion von SOD2)-unzureichende Reparaturprozesse-starke Prädisposition für gestörte Wundheilung und Krebs

  3. Mangelernährung-nicht physiologisch niedriger BMI-gestörte Wundheilung und schlechte Prognose bei metastatischer Erkrankung

  4. Übergewicht-Risiko für Diabetes-Risiko für chronische CVD-starke Prädisposition für chronisch nichtWunden und Krebs

  5. Systemische Hypoxie-gestörte Wundheilung und starke Prädisposition für aggressive metastatische Erkrankungen

  6. Chronische Entzündungsprozesse-chronisch nicht heilendeheilende Wunden, die in der frühen Entzündungsphase stagnieren, aber nicht in die späteren Phasen der Heilung übergehen – erhöhtes Krebsrisiko durch chronische Entzündung

  7. Autoimmunerkrankungen – starke Prädisposition für gestörte Wundheilung und Krebs

  8. Auf molekularer Ebene, sind nicht-physiologisch hochregulierte Aktivitäten von Metalloproteinasen (insbesondere MMP-2 und MMP-9) und dysregulierte Enzymkomplexe MMPs/TIMPs sowohl für eine gestörte Wundheilung als auch für eine aggressive Tumorpromotion und Metastasierung charakteristisch

Alle oben genannten Kaskaden erfordern eine breite Aufmerksamkeit auf den Ebenen der Grundlagenforschung und komplexer medizinischer Ansätze.

Die Kausalität zwischen WH und Krebs ist nachweislich beidseitig:

  • Chronische nicht heilende Wunden können zur Krebsentstehung führen; einige Autoren bezeichnen Tumore als “Wunden, die nicht heilen”.

  • Krebspatienten weisen häufig eine verzögerte und gestörte Wundheilung auf; diese Beeinträchtigungen vermindern den Behandlungserfolg und tragen zu einer aggressiven metastatischen Erkrankung bei

  • Wundheilung und Krebsentwicklung haben gemeinsame zelluläre und molekulare Mechanismen

Unabhängige Studien weisen darauf hin, dass die Wundheilungsumgebung eine opportunistische Matrix für das Tumorwachstum bietet . So wurde beispielsweise das menschliche Basalzellkarzinom in Bereichen der Wundheilung beobachtet, einschließlich Impfstellen, chirurgischen Eingriffen, Verbrennungen und Traumata. Die Modellierung von Brustkrebs bei Mäusen hat gezeigt, dass eine Wunde in der Nähe des Tumors die Tumorgröße signifikant erhöht, und die Injektion der Wundflüssigkeit in der Nähe des Tumors führt zu einem stark geförderten Tumorwachstum. Darüber hinaus wurde gezeigt, dass eine akute Entzündung, die durch eine Biopsie in einem Brustkrebsmodell ausgelöst wurde, das Risiko der Entwicklung peripherer Metastasen erhöht. Dies ist wahrscheinlich auf die Entzündung im Primärtumor und in den Zielorganen zurückzuführen, die die Aussaat freigesetzter Tumorzellen begünstigt.

Das Vorhandensein eines Tumors scheint die Wundheilung bei Hautwunden zu hemmen. In einer Studie mit geringer Stichprobengröße wurde übereinstimmend eine höhere Rate nicht heilender Wunden bei Patienten mit Krebs festgestellt. Eine andere Studie untersuchte die zellulären und molekularen Veränderungen des dermalen Wundheilungsprozesses bei Ratten mit oralem Karzinom. Auf makroskopischer Ebene wurde im Vergleich zu den tumorfreien Kontrollen eine verringerte Wundverschlussrate nachgewiesen. Auf mikroskopischer Ebene wurde eine erhöhte Anzahl unreifer Makrophagen im Wundbereich festgestellt, was negative Auswirkungen auf die Heilung zeigt. Bei den tumortragenden Mäusen wurde eine verminderte Reifung dieser Makrophagen festgestellt, was sich negativ auf die entzündlichen Prozesse der Wundheilung auswirkt. Die Tumore verringern die Expression der immunmodulatorischen Gene Tlr4, IL-1β, Ccl2, IL-10, Ccl3 und Cxcl1, die für die physiologische Wundheilung unerlässlich sind. Aus den oben zusammengefassten Daten geht hervor, dass insbesondere die physiologische Rekrutierung der Immunzellen und die Einleitung und Beendigung der Entzündungsreaktion bei Vorhandensein eines Tumors unterdrückt werden, was zu den Beeinträchtigungen der Wundheilung beiträgt.

Zusätzlich zu den molekularen und zellulären Mechanismen, die mit der Entwicklung des Primärtumors zusammenhängen, kann die beeinträchtigte Wundheilung bei Krebspatienten sekundär aus den systemischen toxischen Wirkungen von Krebsbehandlungen wie Bestrahlung und Chemotherapie resultieren. Schließlich sind in den meisten Studien etwa 40 bis 80 % der Krebspatienten unterernährt, was ihre Anfälligkeit für Infektionen und die allgemeine Tendenz zu einer verzögerten Wundheilung erhöht. Siehe hierzu das nachstehende Unterkapitel “Infektion”.

Infektion beeinträchtigt Heilungsprozesse des Wirts

Die Infektion der Wunde ist ein extrinsischer Faktor, der Heilungsprozesse stark verzögert. Lebende Bakterien und bakterielle Toxine führen zu einer starken Hochregulierung und verlängerten Aktivität von entzündungsfördernden Zytokinen, übermäßigen Entzündungsreaktionen und Schäden am betroffenen Gewebe. Die rekrutierten Entzündungszellen sowie die eingedrungenen Bakterien selbst tragen ihrerseits zur Überexpression von Matrixmetalloproteasen bei, die die ECM abbauen, sowie zu einer Überlastung des Wundbetts durch Wachstumsfaktoren. Es ist bekannt, dass einige Pathologien wie Diabetes mellitus das Risiko chronischer Infektionen erhöhen, und zwar aufgrund der Synergieeffekte einer unwirksamen Immunantwort einerseits und einer systemischen Sauerstoffunterversorgung andererseits – beides erhöht das Infektionsrisiko drastisch.

Pathogene Bakterien, die chronische Wunden besiedeln, bilden häufig Biofilme, die aus aggregierten Bakterien bestehen, die in eine selbstsezernierte extrazelluläre Polysaccharidmatrix eingebettet sind. Diese Biofilme bieten den beherbergten Bakterien eine äußerst schützende Umgebung und machen sie widerstandsfähiger gegen jede antibiotische Behandlung. Die Bildung der Bakterienfilme in der Wunde beeinträchtigt wichtige Heilungsprozesse wie die entzündliche Immunantwort, die Bildung von Granulationsgewebe und die Reepithelisierung des verletzten Gewebes des Wirts.

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