Wie bei allem, gibt es auch beim Narzissmus verschiedene Grade.
Es gibt ein Spektrum von gesunden (mit einer ausgewogenen Dosis Selbstliebe und Selbstachtung) bis hin zu pathologischen, allumfassenden narzisstischen Tendenzen.
Narzissmus ist sowohl für die Gesellschaft als Ganzes als auch für jeden einzelnen Narzissten, der von unaufhörlicher und zügelloser innerer Negativität, Besessenheit mit dem Selbstbild und gefährlich übertriebenen Gefühlen der Selbstherrlichkeit geplagt wird, problematisch.
Es ist weder so simpel noch so unschuldig wie der gemeinhin beschworene Mythos eines schönen Mannes oder einer schönen Frau, die ihr eigenes Spiegelbild in der Oberfläche eines Teiches betrachten und auf dessen Schönheit und Perfektion fixiert sind.
Narzissmus ist nach der Freudschen Theorie in erster Linie eine sexuelle Perversion. In Sigmund Freuds bahnbrechendem Aufsatz von 1914, On Narcissism: Eine Einführung, schreibt er:
“Ein Narzisst ist ein Mensch, der seinen eigenen Körper so behandelt, wie man gewöhnlich den Körper eines Sexualobjekts behandelt – der ihn ansieht, das heißt, ihn streichelt und liebkost, bis er durch diese Tätigkeiten völlige Befriedigung erlangt. In diesem Ausmaß entwickelt, hat der Narzissmus die Bedeutung einer Perversion, die das gesamte Sexualleben des Subjekts absorbiert hat.”
Freud definiert den Größenwahn als eine “Vergrößerung und schlichtere Manifestation” des Narzissmus.
Im Gegensatz dazu sahen post-freudianische Psychologen Anfang bis Mitte des 20. Jahrhunderts, wie Karen Horney, die narzisstische Persönlichkeit als eine Eigenschaft an, die durch ein dysfunktionales frühes Umfeld geformt wurde, im Gegensatz zu der Auffassung, dass narzisstische Bedürfnisse und Tendenzen in der menschlichen Natur liegen.
Die neuesten Forschungen zeigen, dass der Narzissmus in der modernen Kultur auf dem Vormarsch ist, und zwar aufgrund des Aufkommens des Reality-Fernsehens, der sozialen Medien und der immer stärkeren Leistungsorientierung – sogar im Vorschul- und Grundschulalter, was mit der allgemeinen Verringerung der Freiheit der Kinder einhergeht, unstrukturiert mit Gleichaltrigen zu spielen.
Einfach ausgedrückt, ist Narzissmus eine übersteigerte Selbstwahrnehmung in Verbindung mit einer relativen Gleichgültigkeit gegenüber anderen. Es gibt zwei verschiedene Kategorien von pathologischem Narzissmus: exhibitionistisch und heimlich. Beide rühren von der Unfähigkeit her, ein altersgemäßes Selbst zu entwickeln, weil die primäre Bezugsperson, in der Regel die Mutter, in der Kindheit nicht für die nötige Fürsorge gesorgt hat.
Der verschlossene Narzisst hat eher eine enttäuschte, unzureichende Selbstwahrnehmung und auch ein spürbares Bewusstsein der inneren Leere. Der exhibitionistische Typus hingegen pflegt eine aufgeblasene, grandiose Selbstwahrnehmung, die mit der Realität nichts zu tun hat. Ohne Nachforschungen oder Überlegungen geht der exhibitionistische Typ davon aus, dass andere genau so sind wie er. Der heimliche Narzisst wünscht sich ständig Anerkennung von anderen, während der Exhibitionist ständig Bewunderung und Selbstbestätigung sucht.
Die sieben Todsünden des Narzissmus:
- Schamlosigkeit: Unfähigkeit, Scham zu verarbeiten.
- Magisches Denken: sich selbst als perfekt ansehen.
- Arroganz: andere durch Selbstherrlichkeit herabsetzen und erniedrigen.
- Neid: das Bild, den Besitz oder die Leistungen anderer begehren.
- Anspruch (auch Privileg genannt): sich als etwas Besonderes und besser als alle anderen fühlen und verhalten.
- Ausbeutung: Andere ohne Rücksicht auf ihre Gefühle oder Interessen ausnutzen.
- Fehlende Grenzen: keine Grenzen zwischen sich selbst und anderen.
Die narzisstische Mutter idealisiert ihren Sohn und stellt ihn auf ein Podest. Wenn er ein Teenager ist, nimmt sie es ihrem Sohn übel, dass er ihr nicht mehr so gut gefällt wie früher, was wiederum bei ihm Unmut hervorruft. Sein Abwehrmechanismus besteht darin, dass er sein Ego als Fassade aufbaut, die seine tiefe Unsicherheit und Angst überdeckt. Dennoch kann die Schuld nicht allein bei der Mutter liegen. Auch narzisstische Väter haben eine höhere Wahrscheinlichkeit, narzisstische Kinder zu zeugen.
Auf kommunaler Ebene müssen wir daran arbeiten, den alarmierenden Trend zum Narzissmus in der Gesellschaft umzukehren, indem wir Altruismus bei Kindern und Jugendlichen fördern. Dies kann durch die ausdrückliche Vermittlung von emotionaler Intelligenz und Achtsamkeit sowohl in traditionellen Bildungseinrichtungen als auch im Heimunterricht erreicht werden.